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Nicht falsch, aber nicht ganz richtig

Ergänzt 31.03.2024 (Abbildung 2, Warnhinweis eingefügt)

USV-Anlagen werden 3-polig geschaltet, nach einem längeren Fachdiskurs wurde nun die SNG 491000-2110B veröffentlicht. Aber ist jetzt alles gut? Es wurde eine diplomatische Formulierung gewählt, welche die alte Ansicht noch ein bisschen weiterleben lässt. Sie ist nicht falsch, aber auch nicht punktgenau richtig.

In Medias Res

Inzwischen wurde die SNG 491000-2110A durch die 2110B ersetzt. Darin ist nun klar deklariert, dass USV-Anlagen nur mit 3-poligen Schaltern geschaltet werden dürfen, es sei denn, der Hersteller schreibt einen 4-poligen Schalter explizit vor. Der Rest ist umstritten.

Mehrfacheinspeisungen

Auch bei Mehrfacheinspeisungen wie bei Notstromanlagen, BHKW etc. sind keine 4-poligen Generatorschalter erforderlich. Viel wichtiger ist, dass man das Konzept so ausgelegt ist, dass nur eine Sternpunkterdung (Zentraler Erdungspunkt, ZEP) wirksam ist. Wenn man effektiv EMV-Probleme lösen will, dann sollte die Massnahme unabhängig vom Betriebszustand wirksam sein. Das disqualifiziert die 4-polige Schaltung komplett, da im eingeschalten Zustand ein 3- und ein 4-poliger Schalter die gleiche Wirkung haben bezüglich der fliessenden Ströme.

Vierpolige Trennungen sind aus EMV-Gründen nur in seltenen Fällen sinnvoll. Nämlich nur in Anlagen, die im Ausnahmefall koppelbar sein müssen. In den aller meisten Fällen ist das vermeidbar.

Das Bild 4 in der SNG ist keine typische Anordnung, sie widersprich auch den meisten internationalen Lehrmeinungen. Denn im eingeschalteten Zustand entstehen so Ausgleichsströme über das Gebäude, weil der Sternpunkt an zwei Orten geerdet ist. Die Anlage ist demnach im eingeschalteten Zustand nicht normkonform. Diese Darstellungen müssen dringend auch in der ESTI-Weisung 220 endlich geändert werden.

Abbildung 1: Bild 4 aus SNG kommentiert.

Was gilt nun für USV-Anlagen?

Zwischen der Hauptverteilung und der USV-Anlagen dürfen an keiner Stelle 4-polige Schalter eingesetzt werden, da sonst im ausgeschalteten Zustand das System auf der USV-Ausgangsseite von einem TN zu einem IT-Netz ändert.

Das ist zu vermeiden, was nun auch korrekt in den SNG 491000-2110B steht. Eine Ausnahme gibt es: Wenn der USV-Hersteller verbindlich erklärt, ein 4-poliger Schalter sei erlaubt oder vorgeschrieben bei seinen Produkten.1 Die Erklärung muss aber rechtsverbindlich unterschrieben sein, zum Beispiel in einer Konformitätserklärung. Ein Hinweis in einem Whitepaper, einem Prospekt oder eine Erklärung in einer Offerte alleine genügt nicht.2 Falls nun mit dem Segen des Herstellers 4-polige Schalter installiert werden, muss zwingend eine Hinweistafel an jeden vorgelagerten 4-poligen Schalter angebracht werden, die darauf hinweist, dass die USV-Anlage abgeschaltet werden muss, wenn dem Stromkreis gearbeitet wird.3 Fairerweise wird der Bauherr bereits vor der Bestellung auf die Konsequenzen aufmerksam gemacht.

Abbildung 2: Zwingender Warnhinweis, wenn 4-polig vor der USV geschaltet wird.

Das alles gilt für USV-Anlagen mit oder ohne Ausgangstrafo. Falls USV-Anlagen früher entgegen der Empfehlungen der Hersteller mit 4-poligen Schaltern ausgeführt wurden, lässt sich das durch Überbrücken des 4. Poles oft mehr oder weniger einfach korrigieren.

Warum ist das wichtig?

In der Elektrotechnik Ausgabe 6/2022 wurde bereits ausführlich über das Thema 3- oder 4-polig schalten berichtet. Es wird darauf hingewiesen, dass mit der Umschaltung wohl die Sternspannungen nicht beeinträchtigt würden, jedoch ein Systemwechsel von TN auf IT mit den bekannten Folgen entstehen würde und dass dies nicht empfohlen würde. Gleichenorts wird gezeigt, dass 3-polige Schalter in einer üblichen Parallelschaltung von zwei Spannungsquellen und einem korrekten Zentralen Erdungspunkt (ZEP) kein Problem darstellt.

Abbildung 3 Ersatzschaltbild für das Nullsystem eines TN-Netzes mit zwei Quellen und mit ZEP

Aus den Gründen der EMV ist in einem TN-S System die Erdung des Sternpunktes, bzw. des PEN-Leiters nur an einem einzigen Ort zulässig, da sonst ein Teil der Rückleiterströme über die Gebäudestruktur fliessen würde.

Aus diesem Grund hat der Sternpunkt der USV-Anlage auf der Ausgangsseite keine Erdverbindung. Der Sternpunkt wird über die Regelung der Wechselrichter und die Ausgangskondensatoren gebildet. Hier sei auf die Park-Transformation und die davon abgeleitete Raumvektorregelung verwiesen. Bei älteren USV-Systemen wird der Sternpunkt mit einem Transformator gebildet.

Wird der Neutralleiter unterbrochen, entsteht am Ausgang bezogen auf die Spannungen ein symmetrisches Drehstromnetz ohne Erdberührung.

Beim ersten Fehler (Erdschluss) nimmt das Erdpotenzial gegenüber den nicht betroffenen Aussenleiter verkettete Spannung, also 400 Volt, an. Das ist in der Literatur hinlänglich belegt.4 Der erste Fehler wird nicht abgeschaltet. Störschutzkondensatoren in Geräten, die an der USV-Anlage angeschlossen sind und zwischen Aussenleitern und Gehäuse angelegt sind, werden daher mit verketteter Spannung belastet, was zu Schäden führen kann, die oft nicht erkannt werden. Defekte Y-Beschaltungen führen regelmässig zu EMV-Problemen.

Ein zweiter Fehler muss nach den Bedingungen des TN-Systems abgeschaltet werden.

Wenn in IT-Netzen der Neutralleiter mitgeführt wird, muss die Überstromerfassung in allen Stromkreisen alle aktiven Leiter umfassen und alle aktiven Leiter im Fehlerfall trennen. Ausnahmen sind nur erlaubt, wenn auf der Versorgungsseite ein Schutzgerät wirksam den betrachteten Neutralleiter zu schützen vermag oder ein RCD mit ausreichend hohem Schaltvermögen installiert ist, dessen Differenzstrom höchstens den 0.2-fachen Wert der Strombelastbarkeit des betreffenden Neutralleiters betragen darf.5 In der NIN wird dringend vom Mitführen des Neutralleiters in IT-Netzen abgeraten.6

Nach den Schemen der Beilagen und Erläuterungen (B+E) zum 3.1.2.3 NIN sind USV-Anlagen am ehesten der Figur 8 (künstlicher Sternpunkt) zuzuordnen. Demnach darf der Neutralleiter nicht verteilt werden.

EMV-Probleme

EMV-Probleme entstehen bekannterweise durch die mehrfache Erdung des Sternpunktes in einem Gebäude. Das kann wirkungsvoll auch mit 3-poligen Schaltern verhindert werden. Im eingeschalteten Zustand sind bezüglich EMV die 3- und 4-poligen Schalter als gleichwertig anzusehen.

TN-System und 3-polige Schalter

Die TN-Netze sind für die sternförmige Verteilung von Energie in der Niederspannung ausgelegt. Aus Gründen der Redundanz werden oft mehrere Quellen zusammengeschaltet, was im eingeschalteten Zustand zu Ausgleichsströmen 7 führen kann, besonders dann, wenn dezentral eingespeiste Areale durch eine gemeinsame zentrale Notstromanlage zusammengeschaltet werden. Im eingeschalteten Zustand sind 3- und 4-polige Schalter elektrisch identisch.

Zu einem TN-Netz gehören typischerweise 3-polige Schalter. Die drei Aussenleiter werden geschaltet, der Neutralleiter bleibt in jedem Betriebszustand verbunden. Er ist an einem einzigen zentralen Punkt zu Erden. Es gibt wenige Ausnahmen, die durch die einschlägigen Normen bestimmt sind: Der RCD, der Netzumschalter (der die Last zwischen zwei unabhängig geerdeten Netzen umschaltet) und die Anlagenschalter von Typ-2-Kraftwerken.89 Sind die nichtsynchronen Kraftwerke inselfähig, ist die 4-polige Trennung entsprechend der internen Sternpunktbehandlung geeignet zu wählen, damit keine unzulässige Situation entsteht.10

Bei den genullten Systemen ist nur das TN-S-System EMV-tauglich. TN-C und TN-C-S sind aus der Sicht der elektromagnetischen Verträglichkeit zu vermeiden. Die Möglichkeit, mit 4-poligen Schaltern die suboptimale Wahl des Netzsystems zu kompensieren, wird in diesem Dokument ignoriert.

EMV-tauglich ist das TN-S-System nur dann, wenn die ankommenden PEN-Leiter bzw. die Sternpunkte der Trafos an einem einzigen Ort geerdet werden. Falls mehrere Trafos vorhanden sind, können sie alternativ schaltungstechnisch so ausgeführt werden, dass sie niederspannungsseitig nicht zusammenschaltbar sind. Die anerkannten Regeln der Technik bieten hier viele EMV-taugliche Lösungen. Weitere Aspekte für die EMV-Tauglichkeit wie zum Beispiel die induktionsarme Kabelverlegung, Parallelführung etc. wird hier nicht weiter erörtert und auf die einschlägige Literatur verwiesen.

Relevanz für die Praxis

Der Zustand, in dem die USV-Anlage tatsächlich ein IT-Netz bildet, ist dann gegeben, wenn einer der vorgeschalteten 4-poligen Schalter ausgeschaltet oder durch eine Schutzauslösung abgeschaltet wird. Nur in diesen betrieblichen Fällen tritt das Problem auf. Bei einem Netzausfall ausserhalb des Gebäudes tritt der Fall nicht auf. Werden zwecks Notstromtest 4-polige Schalter verwendet, tritt dieses Problem auf, was wahrscheinlich der häufigste Fall ist.

Relevanz für die EMV

Die 4-poligen Schalter verhindern in ungünstig gewählten Netzkonfigurationen, dass sich die Rückleiterströme auf die Neutralleiter verschiedener Leitungen aufteilen und so auf unterschiedlichen Wegen zum Sternpunkt oder zum Anschluss-PEN-Leiter geführt werden. Die Relevanz ist fraglich. Bei einer fachgerechten Auslegung ist das nicht der Fall. Ausserdem kann mit 4-poligen Schaltern in bestimmten Fällen verhindert werden, dass zwei Quellen zusammengeschaltet werden.

Eine angemessene Auslegung des Versorgungskonzeptes kann das verhindern. Die einschlägige Fachliteratur gibt entsprechende Lösungsansätze.

Fazit

Grundsätzlich dürfen keine den Herstellerangaben wiedersprechende Installationen von USV-Anlagen ausgeführt werden. Es dürfen umgekehrt keine USV-Anlagen an Systeme angeschlossen werden, die nicht den Herstellerangaben entsprechen. Der Entscheid über das Netzsystem und seine Ausprägungen hinsichtlich Schalteranordnung und Wahl geschieht typischerweise zeitlich weit vor der Wahl der USV-Anlage.

Falls das IT-Netz bewusst aus Aspekten der EMV gewählt werden soll, so ist normkonform ein Trenntransformator hierzu zu verwenden. Ein in der USV-Anlage eingebauter Ausgangstrafo dessen lastseitiger Sternpunkt mit dem Neutralleiter der Eingangsseite verbunden ist, gilt im Sinne der Normen über IT-Netze nicht als Trenntrafo.

Bei Drehstrom-IT-Netzen mit herausgeführtem Neutralleiter ist zu dem sicherzustellen, dass alle daran angeschlossenen Geräte mit Y-Kondensatoren für mehr als 400 Volt ausgelegt sind. Alternativ könnte auch eine USV-Anlage mit einem einphasigen Ausgang verwendet werden.

Die allpolige Schaltung ist kein Allerheilsmittel für EMV-Probleme. Elektromagnetische Verträglichkeit erstellt man mit der vernünftigen Konzeptwahl hinsichtlich Versorgungstopologie, Sternpunkterdung und Leitungsplanung.

Somit bleibt die 3-polige Schaltung der Stromkreise auf der Versorgungsseite der USV-Anlage die beste Lösung, sofern der Hersteller keine abweichende Vorschrift macht.

Markus Gehrig
MG Power Engineering AG
Dozent an der HF und Lehrbeauftragter an der HSLU
Tech-Blog: power-affairs.ch und power-engineering.ch

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