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Arc Fault Detection Device

AFDD auf schwarz spiegelnden Grundfläche aufgestellt. Gerät Siemens 1TE breit

Fehler und Defekte in einer Installation, die ein Fehlerstromschutzschalter nicht erkennen kann, detektiert ein Fehlerlichtbogenschutzgerät. In welchen Fällen der AFDD nun die bessere Lösung ist und wo er als Ergänzung angezeigt ist, wird hier erklärt.

In medias res

Der Brandschutzschalter, wie er umgangssprachlich heisst, ist eigentlich eine Fehlerlichtbogen-Schutzeinrichtung (engl. Arc Fault Detection Device), welche ein Lichtbogen als Folge eines Isolationsdefektes gegen Erde oder einer lockeren Klemme erkennen und abschalten kann. Ein Bürstenfeuer eines Motors sollte jedoch keine Auslösung provozieren.


Tragisch

Am 8. Juli 2019 geriet ein Hotel im bernerischen Lenk im Simmental in Brand. Kinder und Erwachsene mussten ins Spital. Am 14. Dezember ist ein Stall mit 200 Schweinen in Hundwil abgebrannt. Die Schweine konnten nicht gerettet werden. In beiden Fällen waren nachgewiesenermassen defekte Installationen die Ursache. Oft lässt sich die Ursache jedoch nicht einwandfrei klären. Laut der Vereinigung kantonaler Gebäudeversicherungen (VKG) sind im Fünfjahresdurchschnitt (2016 bis 2020) 27.7 % der Brandfälle auf Elektrizität ohne Blitze zurückzuführen. Davon sind 12 % Mängel an den Installationen und Apparaten. Der Rest ist dem unsachgemässen Verwenden zugeordnet oder kann nicht bestimmt werden. Nur Blitzschläge sind häufigere Ursachen. Anders sieht es bei den Zahlen über die Schadenausmasse aus. Hier sind die Elektrobrände mit 20.8 % für die meisten Kosten verantwortlich, wogegen die Blitzschläge nur etwa 5 Prozent der Schadensumme ausmachen. Die nicht aufgeklärten Fälle machen 30.5 % der Schäden aus und dies obwohl sie in der Anzahl nur 6.7 % ausmachen.

Der Elektrobrand ist also gesellschaftlich relevant, da er häufig vorkommt und hohe Kosten verursacht. Da interessieren alle Massnahmen, die Brände mit Ursache Elektrizität verhindern können. Eine Massnahme ist der Fehlerstromschutzschalter und dann eben dieses Fehlerlichtbogen-Schutzeinrichtung, wie der Brandschutzschalter normentsprechend heisst.

Bereits in den 1990er-Jahren wurde der Brandschutzschalter in Amerika eingesetzt. Vor allem die kleinere Spannung und daher grossen Strömen in den Endstromkreisen führt im Fall eines Leitungsdefektes rasch zu grosser Erwärmung und Brandgefahr. Mit 230 Volt Nennspannung ist das Problem weniger explizit, dennoch aber relevant.

AFDD mit LED-Signalisierung. Gerät von Siemens eine TE breit und Symbole Feuer, Hand Stopp und Elektroblitz. Dunkler Hintergrund mit leichter Spiegelung.
Abbildung 1: AFDD mit LED-Signalisation

Funktion

Aber warum ist der Strom eine wichtige Ursache? Es geht hier um den Längsfehler, das sind alle Fehler die entlang einer Leitung entstehen und vorerst keinen Isolationsdefekt darstellen. Das können lockere Klemmen, geknickte oder gekerbte Installationskabel, Ermüdungsbrüche an bewegten Leitungen, defekte Anschlusskabel mit Wackelkontakt. Solche Fehler liegen sehr oft in Endstromkreisen, also nach der letzten Sicherung. Sie werden manchmal lange nicht entdeckt, da weder der Fehlerstromschutzschalter noch der Leitungsschutz anspricht. Meistens ist der Fehler von aussen vorerst nicht erkennbar. Je nach dem wie gross der Strom ist, der über eine solche Fehlerstelle fliesst.

Der Brandschutzschalter erkennt genau solche Fehler, denn diese anfänglich sehr kleinen Lichtbögen haben ein ganz typisches Frequenzmuster, welches durch die Signalanalyse des AFDD erkannt wird. Daher erkennt der AFDD eben auch parallele Fehler, also defekte zwischen Aussenleiter und Neutralleiter oder Aussenleiter zu Erde ab einem Strom von 2.5 Ampere. Oft erkennen Kurzschlussschutzeinrichtungen auch wesentlich energiereichere Lichtbögen als Folge von Kurzschlüssen nicht, weil die Impedanz des fehlerhaften Stromkreises zu gross ist. Hier sei angemerkt, dass sowohl Kurzschlussberechnungen nach IEC 60909 als auch Impedanzmessungen mit Installationstestern nur galvanische Kurzschlüsse bestimmen können. Die Impedanz im Lichtbogen ist nicht voraussehbar und kann sehr viel höher sein.

Der Fokus für den Einsatz von AFDD ist auf Endstromkreise gerichtet. Zum einen ist es schwierig, einen Fehler aufzuspüren, wenn eine Gruppen- oder Bezügerleitung abgeschaltet würde und zum anderen würden viele nicht betroffene Verbraucher abgeschaltet, wie die Siemens dazu schreibt. Tatsächlich ist derzeit keine selektive Staffelung möglich. Der AFDD muss harmlose Funken etwa eines Bürstenfeuers einer Bohrmaschine oder durch das Ziehen eines Steckers von einem Lichtbogen in Folge beispielsweise einer lockeren Klemme unterscheiden können. (siehe Kasten)

AFDD-MCB kombiniert in einem Gerät. Fabrikat Siemens, nur 1 TE breit. Gerät freigestellt mit weissem Hintergrund dargestellt.

Technologieführer Siemens

Im Bereich AFDD verfügt die neueste Gerätereihe von Siemens «5SV6 COM» nebst dem integrierten Leitungsschutz, neu auch über eine integrierte Mess- und Kommunikationsfunktion und das bei einer Baubreite von 1 TE (17.5 mm). Diese Funktion liefert die üblichen Energiedaten aber auch Informationen bei einer allfälligen Auslösung , also Überlast, Kurzschluss oder Fehlerlichtbogen. Somit ist es erstmals möglich, Überlastschutz, Kurzschlussschutz, Fehlerlichtbogendetektion und Messfunktion ohne zusätzlichen Platzbedarf in einer TE einzusetzen. Die Daten der Schutzgeräte werden drahtlos auf ein Powercenter, das ebenfalls eine TE breit ist übertragen. Die Markteinführung in der Schweiz ist auf den Herbst 2022 geplant.

Aber auch die anderen Schutzgerätehersteller wie ABB, Doepke, Eaton, Hager, Schneider Electric bieten solche AFDD an. Sie teilen sich einen noch sehr kleinen Markt. Der grosse Durchbruch ist noch nicht gekommen, schreibt ABB dazu. Ob sich das ändert und wie gross der Einfluss auf die Unfallzahlen ist bleibt offen.

In der NIN2020 gibt es in Kap. 4.2.1.7 eine Empfehlung für die folgenden Räume und Bereiche:

  • Räumen mit Schlafplätzen,
  • feuergefährdeten Betriebsstätten (BE2),
  • Gebäuden aus brennbaren Bauteilen (CA2),
  • Gebäudestrukturen, welche das Ausbreiten von Feuer begünstigen (CB2),
  • Räumen deren Inhalt einen besonderen Wert aufweisen (z.B. Archiv, Museum, etc.).
AFDD in Schaltschrank eingebaut auf Hutschiene mit Verdrahtung.
Abbildung 3: AFDD in Schaltschrank (Siemens)

Ausblick

Ob das irgendwann obligatorische wird hängt davon ab, ob sich die Herstellern in den Normenkomitees durchsetzen, denn die sind in den meisten Länder gut vertreten. Es zeichnet sich auf IEC-Ebene ab, dass eine partielle Pflicht sich durchsetzen könnte, was ja durchaus sinnvoll sein kann. Siemens rechnet mit einer Verpflichtung in speziellen Räumen wie zum Beispiel in denkmalgeschützten Gebäuden, Pflegeheimen und Museen.

AFDD mit RCD und MCB kombiniert (ABB) 3 TE breit. Freigestellt mit weissem Hintergrund dargestellt.
Abbildung 4: AFDD mit RCD und MCB kombiniert (ABB)

Dagegen wäre die schleichend flächendeckende Einführung, wie damals bei den RCDs, eher fragwürdig. Zweifellos ist der AFDD eine sehr effektive Methode ist, um Elektrobrände zu verhindern. Sinnvoll wäre auf jeden Fall, wenn die Pflicht mit den Schadenstatistiken korrelieren würde. Denn eines ist sicher: Würde der Staat eine solche Auflagen in die Baubewilligungen schreiben, gäbe es sicherlich einen kleineren Volksaufstand …

Einzelheiten zur Funktion können auch im Heft ET 6-7/2019 nachgelesen werden.

Erste Zeile Paralleler Fehler und Serieller Fehler. Unter Seriellem Fehler ist nur der AFDD angeschrieben. Beim Parallelen Fehler sind es MCB , RCD, SLS, Schmelzsicherungen und AFDD für den parallelen Lichtbogen.
Abbildung 5: Tabelle Anwendung nach Fehlerarten

Normen

Produktnorm: IEC 62606
Installationsnorm: IEC 60364

In medias res

Der Brandschutzschalter, wie er umgangssprachlich heisst, ist eigentlich eine Fehlerlichtbogen-Schutzeinrichtung (engl. Arc Fault Detection Device), welche ein Lichtbogen als Folge eines Isolationsdefektes gegen Erde oder einer lockeren Klemme erkennen und abschalten kann. Ein Bürstenfeuer eines Motors sollte jedoch keine Auslösung provozieren.

Bildnachweis:
Titelbild Siemens
Abb. 1 bis 3 Siemens
Abb. 4 und 6 ABB
Abb. 5 Markus Gehrig

AFDD mit RCD kombiniert, 2TE breit. Fabrikat ABB

Apropos

Ein Funke ist kein Lichtbogen
Ein Funke der bei der Unterbrechung eines Stromkreises einer keinen induktiven Last oder bei einem Bürstenfeuer entsteht, hat zuwenig Energie hat um selbstständig weiterzubrennen. Ganz anders der Lichtbogenkanal der die Luft derart stark ionisiert, dass genügend Energie vorhanden ist, dass der Lichtbogen nicht verlöscht bis er durch ein leistungsstarkes Schaltgerät unterbrochen wird.

Markus Gehrig
MG Power Engineering AG
Dozent an der HF und Lehrbeauftragter an der HSLU
Tech-Blog: power-affairs.ch

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