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Prosumer, Microgrid und die NIN2025

Microgrid

Was passiert, wenn das Netz ausfällt? Mit modernen Speichersystemen kann Notstrom bereitgestellt werden – doch nicht alle Systeme funktionieren gleich! Erfahre, warum die Wahl zwischen AC- und DC-gekoppelten Speichern entscheidend ist, was es mit 3- oder 4-poligen Netzkuppelschaltern auf sich hat und warum eine clevere Schutzstrategie essenziell für eine sichere Stromversorgung ist. Dieses Wissen könnte den Unterschied machen, wenn es wirklich darauf ankommt!

In der NIN2025 ist neu das Kapitel 8.2, das sich dem Thema Prosumer widmet. Aber was sind Prosumer und was bedeutet das für uns Anwender? Dies und mehr dazu lesen sie hier.

Prosumer ist ein Kofferwort und beschreibt Teilnehmer in einem Netz, die sowohl Verbraucher (Consumer) als auch Energieproduzenten (Producer) sind. Aber grenzt sich nun der Begriff Microgrid davon ab? Ein Prosumer nutzt oft ein Microgrid. Es ist eine Gruppe aus elektrisch verbundenen Lasten und verteilter Energieressourcen mit festgelegten elektrischen Grenzen, die ein lokales elektrisches Energiesystem auf Verteilnetzebene bilden. Das Microgrid fungiert als eine einzige steuerbare Einheit und funktioniert im Netzverbund oder im Inselbetrieb.

Wie mit einer Dieselnotstromanlage kann man auch mit einem Speicher eine Notstromfunktion bereitstellen. Wir unterscheiden hier AC-gekoppelte Speichersysteme und DC-gekoppelte Systeme. Letztere sind Komplettsysteme, welche die Netztrennung intern enthalten. Der Kuppelschalter trennt das Netz bei einem Netzausfall sicher ab und baut so ein Inselnetz auf.

Bei AC-gekoppelten Systemen – um die es in diesem Artikel geht – ist der Kuppelschalter in der Schaltanlage integriert. Alle Verbraucher hinter dem Kuppelschalter können so mit Notstrom versehen werden. Verbraucher die nicht mit Notstrom versorgt werden, werden abgeworfen, in dem sie mit einem oder mehreren Schaltern abgetrennt werden.

Die Norm schreibt vor, dass ein solcher Kuppelschalter allpolig trennen soll. Unter allpolig kann man alle aktiven, also betriebstromführenden Leiter verstehen oder alle spannungsführenden Leiter. Die NIN versteht darunter die Trennung der gefährlichen Leiter. In einem TN-Netz sind das die Aussenleiter, wogegen in einem TT-Netz auch der Neutralleiter gefährlich sein kann.

Das Bild zeigt ein Schema mit einem 4-poligen Kuppelschalter (SDFI) und einem SRCSD.
Abbildung 1: Kuppelschalter (SDFI) 4-polig schalten und Neutrallleiter-Erdung SRCSD erforderlich.

Wenn man alle aktiven Leiter, also 4-polig trennt, besteht hinter dem Kuppelschalter keine Erdverbindung zum Neutralleiter mehr. Wird der Speicher auf das Inselnetz zugeschaltet oder geht er direkt in den Inselbetrieb, entstünde ein IT-Netz. Das wird vermieden, in dem unmittelbar nach dem Öffnen des Netzkuppelschalters (SDFI) der Neutrallleiter über den Systemreferenzleiter an Erde gelegt wird. Der Schalter dazu heisst Schalteinrichtung für den Systemreferenzleiter (SRCSD). (siehe Abb. 1). Der SRCSD kann aber auch Speicher oder Hybridwechselrichter integriert sein. (Siehe Abb. 2)

Das Bild zeigt ein Schema mit einem 3-poligen Kuppelschalter (SDFI) und einem SRCSD integriert in die Erzeugungseinheit. Dabei ist der Schalter der Erzeugungseinheit 4-polig.
Abbildung 2: Kuppelschalter (SDFI) 3-polig und SRCSD in Erzeugungseinheit.

Wenn man jedoch nur die spannungsführenden Leiter, also 3-polig trennt, ist hinter dem Kuppelschalter weiterhin die Erdverbindung wirksam, die am Hausanschluss oder an der Trafostation bereits besteht. Die Schalteinrichtung für den Systemreferenzleiter wird dadurch obsolet. (siehe Abb. 3)

Das Bild zeigt ein Schema mit einem 3-poligen Kuppelschalter (SDFI) ohne SRCSD.
Abbildung 3: SDFI 3polig

Das bedeutet, wer den Kuppelschalter 4-polig ausführen will, muss zwingend eine Schalteinrichtung für den Systemreferenzleiter errichten. Dagegen braucht es bei einem dreipoligen Kuppelschalter eine solche Schalteinrichtung nicht. Letzteres ist seit je her bei Dieselnotstromaggregaten angewendet.

Der Ablauf vom Netzausfall bis zur Rückschaltung nach Netzrückkehr ist in der Abbildung 4 dargestellt.

Abb. 4 SDFI Betriebs-Prinzip

3- oder 4-polige Schalter

Die NIN2025 (4.6.1.2.3 NIN) sagt und dazu, dass es nicht erforderlich ist, den Neutralleiter zu trennen oder zu schalten, wenn ein Schutzpotenzialausgleich verlegt ist, der Neutralleiter niederohmig an Erde gelegt ist und die Abschaltbedingungen nach NIN 4.1 eingehalten werden.

Kurzschlussströme im Inselbetrieb

Wie bei USV-Anlagen sind die Kurzschlussströme auch bei Speicher-Inverter sehr gering. In manchen Fällen unterscheiden sie sich kaum vom maximalen Betriebsstrom. Bei Speichern, die über einen Transformator an das Netz geschaltet sind, liegen die Kurzschlussströme etwas höher.

Eine selektive Abschaltung kann am ehesten erreicht werden, in dem eine absolut flache Verteilhierarchie gewählt wird. Dabei werden die notstromberechtigten Verbraucher direkt ab der Schaltanlage beim Speicher versorgt. Durch der Einsatz von RCD bei kleinen Stromkreisen (SNG 491000-2126) oder Erdschlussschutz (ANSI 50N/51N) bei grösseren Anlagen kann im einpoligen Fehlerfall eine selektive Abschaltung erreicht werden. Eine weitere Möglichkeit ist die spannungsgesteuerte Überstromanregung (ANSI 51V), damit wird der mit einem Kurzschluss einher gehende Spannungseinbruch als Bedingung für eine Schutzauslösung herangezogen. Der Schwellwert des Ansprechstromes kann dabei sogar unter dem Nennstrom des Schalters liegen. Allerdings sind Leistungsschalter mit solchen Schutzgeräten relativ teuer. Zudem erfordert die Evaluation der passenden Schutzkonzeption und die Bestimmung der Einstellparameter spezifisches Fachwissen und Erfahrung.

Unabhängig davon, ob ein nachgeschaltetes Schutzgerät anspricht, ist im Nahbereich die automatische Abschaltung durch den Inverter gegeben. Liegt der Kurzschluss in einer langen Leitung, könnte der Kurzschlussstrom so gering sein, dass der Inverter keinen Kurzschluss erkennt. Darum ist eine Netzberechnung unerlässlich. Bei kleinen Systemen ist oft der Fehlerstromschutz die beste Lösung.

Darstellung zeigt Leitungs- und Kurzschlussgerade sowie Auslösecharakteristik der USV-Anlage

Kurzschlussströme im Netzbetrieb

Wird der Speicher dazu benutzt, einen geringen Hausanschluss optimal auszunutzen, in dem kurzzeitig die Last zeitlich verschoben wird, ist die Netzkurzschlussleistung im Verhältnis zu den Nennströmen der Kurzschlussschutzgeräte sehr gering. Schmelzsicherungen können einen Kurzschluss oft nicht vorschriftsgemäss abschalten, da lange Leitungen und die Hausanschlusssicherung den Kurzschlussstrom so stark begrenzen, dass die Schmelzsicherung einige Sekunden bis Minuten braucht, bis sie durchschmilzt.

Strom-Begrenzung bei NHS-Sicherungen: Beispiel 160 A violette dargestellt.

In einem Fall ereignete sich ein Kurzschluss in einem Wechselrichter, der nur gerade knapp 1000 A erreichte. Der Kurzschlussauslöser des Leistungsschalters war auf den zweifachen Nennstrom des Schalters eingestellt. Der Schalter löst laut Schalterprotokoll innert 50 ms planmässig aus. Der Schaden hielt sich in engen Grenzen, weil der Kurzschluss so schnell abgeschaltet war. Eine NHS 400 A hätte bei 1000 A 800 Sekunden benötigt, was nicht einmal im Verteilnetz zulässig wäre.

Kennlinie Auslösung NHS 400 A bei 1000 A.

Mit einem Leistungsschalter kann der Kurzschlussauslöser sehr tief eingestellt werden, um so eine vorschriftsgemässe Auslösung zu erreichen.

Leistungschalter im Vergleich zu NHS

Die Berechnung des prospektiven Kurzschlussstromes ist immer im unbeeinflussten Zustand. Sie berücksichtigt die Strombegrenzung durch die Schmelzsicherung oder den Leistungsschalter nicht.

Werden Sicherungen oder strombegrenzende Leistungsschalter verwendet, so wird zuerst der Anfangskurzschlusswechselstrom berechnet und danach die Strombegrenzung ermittelt 1. Danach kann die Korrektur erfolgen. Anspruchsvolle Netzberechnungen machen diesen iterativen Prozess automatisch.

Die NIN2025 führt das neue Kapitel 8.2 ein, das sich mit Prosumer-Systemen befasst. Es beschreibt unter anderem die Notstromversorgung durch Speicher, die entweder AC- oder DC-gekoppelt sein können. AC-gekoppelte Systeme haben den Netztrennschalter in der Schaltanlage integriert, während DC-gekoppelte Systeme eine interne Netztrennung bieten.

Fazit

Die Norm legt fest, dass Netzkuppelschalter allpolig trennen müssen, was entweder 3- oder 4-polig erfolgen kann. Eine 4-polige Trennung erfordert eine zusätzliche Schalteinrichtung für den Systemreferenzleiter (SRCSD), während sie bei einer 3-poligen Trennung in einem TN-Netz nicht notwendig ist.

Kurzschlussströme im Inselbetrieb sind oft niedrig und erfordern geeignete Schutzmassnahmen wie Fehlerstromschutzschalter (RCD) oder Erdschlussschutz, um eine sichere Abschaltung im Fehlerfall zu gewährleisten. Im Netzbetrieb kann eine geringe Netzkurzschlussleistung dazu führen, dass Sicherungen verzögert oder gar nicht auslösen. Daher ist eine sorgfältige Netzberechnung entscheidend, um eine selektive Abschaltung zu ermöglichen.

Begriffe

SDFI = Switching Device for Islanding = Netzkuppelschalter für den Inselbetrieb

SRC = System Referencing Conductor = Systemreferenzleiter

SRCSD = System Referencing Conductor Switching Device = Schaltgerät für des SRC

  1. IEC 60909 ↩︎

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