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Halten USV-Anlagen was sie versprechen?

Laut den vollmundigen bunten Prospekten der Hersteller von USV-Anlagen dürfen wir erwarten, dass USV-Anlagen die Last unterbrechungsfrei versorgen.

Short

Damit eine USV-Anlage ihrem Namen gerecht wird, muss die schutztechnische Umgebung, die Verteilstruktur und die USV-Anlage aufeinander abgestimmt sein. Die Bypasssicherung ist dabei der Knackpunkt und könnte das gesamte System in Frage stellen. Der Schutz des Bypass-Halbleiters und der Schutz der Leitungen zu der USV sowie alle Stromkreise lastseitig müssen aufeinander abgestimmt sein. Die Anforderungen sind aber stark divergierend, was die Abstimmung schwierig macht. Die vorteilhafte Lösung beinhaltet eine flache Hierarchie mit hochwertigen Schutzgeräten und beeinflusst damit die gesamte Verteilstruktur. Das Problem muss frühzeitig im Projekt angegangen werden.

Der Artikel wurde in ET02/21 veröffentlich und hier leicht editiert dargestellt.


Abgesehen, dass technische Systeme grundsätzlich nie 100% fehlerfrei funktionieren, sind bei USV-Anlagen eine Reihe anderer Kriterien wichtig, damit diese Unterbrechungsfreiheit sichergestellt ist. Im vorliegenden Artikel werden statische USV-Anlagen behandelt. Rotierende Anlagen werden später in diesem Jahr zum Thema Generatorauslegung behandelt.

Die Probleme stellen sich bei Fehlern in Stromkreisen lastseitig der USV-Anlage. Dabei kommt es darauf an, wie die USV-Anlage sowie die Kurzschlussschutzgeräte darauf reagieren und wie gut die Abstimmung dieser beiden Komponenten ist. Dazu müssen wir die Eigenschaften der USV-Anlage – sowohl im Batteriebetrieb wie auch im Netzbetrieb – näher anschauen. (siehe Abb. 1)

Übersicht Kurzschlusswege über vier parallel geschaltete USV-Bypasse
Abb. 1 Übersicht USV-Umgebung

Netzbetrieb

Im Netzbetrieb kann die USV-Anlage in einem bestimmten Masse überlastet werden, ohne dass sie den Wechselrichterbetrieb verlässt. Typisch sind Werte mit 1.25-fachem Nennstrom während 10 Minuten und Werte über 1.5-fachem Nennstrom während einer Minute. Die Werte können je nach Fabrikat und Bauart stark schwanken.

Die USV-Anlage überwacht den Laststrom und kann aufgrund des Stromanstieges erkennen, ob ein Kurzschluss oder eine Überlast vorliegt. Im Kurzschlussfall schaltet sie auf Bypass und im Überlastfall begrenzt sie nach einer gewissen Zeit den Strom. Ist der Kurzschluss weit entfernt von der USV-Anlage, erkennt sie nur eine Überlast, da das Verhältnis zwischen dem Kurzschluss- und dem Laststrom mit dem Abstand geringer wird.

In Analogie zu den Generatoren (IEC 909) ist es demnach sinnvoll zu unterscheiden, ob ein Kurzschluss USV-nahe oder USV-fern liegt. Alle Kurzschlussorte, welche Kurzschlussströme hervorrufen, die über der Schwelle liegen, an der bei der USV-Anlage im Batteriebetrieb die Kurzschlussbegrenzung einsetzt (typisch 2.2 bis 3.1-facher Nennstrom) bzw. im Netzbetrieb auf Bypass geht, sind USV-nahe Kurzschlüsse. Die Werte sind konstruktionsabhängig. 1

Wir nehmen uns zuerst die grossen, USV-nahen Kurzschlussströme vor, die unverzüglich auf den Bypass umgeschaltet werden. Die Kleinen behandeln wir dann weiter unten im Batteriebetrieb. (Abb. 2)

Abb. 2 Kurzschluss USV-nahe

Der statische Bypass ist wie alle Halbleiter empfindlich gegen thermische Überlastung und wird daher entweder, das ist der häufigere Fall, mit einer internen Sicherung speziell für Halbleiter geschützt oder der Halbleiter wird entsprechend ausgelegt, damit er bis zu einem gewissen Grad kurzschlussfest ist. Im Fall, dass keine interne Sicherung eingebaut ist, ist zu klären, ob die Anlage den Kurzschluss am Einbauort standhalten würde. Falls eine interne Bypasssicherung vorhanden ist, hat diese einen deutlich geringeren Durchlassenergiewert, als eine Sicherung die Leitungen oder Maschinen schützt.

Das führt direkt zu einem Selektivitätsproblem, das gelöst werden muss, um einen Totalausfall zu vermeiden.

Kurzschlussselektivität ist gegeben, wenn:

  1. das vorgeschaltete Schutzgerät selektiv zur Bypasssicherung ist, was in der Regel gegeben ist.
  2. das vorgeschaltete Schutzgerät einen grösseren Durchlasswert hat, wie das grösste der USV-Anlage nachgeschaltete Schutzgerät und für kleinere Kurzschlussströme Zeitselektivität besteht und eventuell eine Zonenselektivität (ANSI 68) installiert ist.
  3. das grösste nachgeschaltete Schutzgerät einen kleineren Durchlasswert hat, als die interne Bypasssicherung hat.

Das heisst für den Planer, dass er die Daten des internen Bypassschutzes kennen muss, falls einer vorhanden ist, um die Anlage als Gesamtsystem richtig auslegen zu können. Das ist zusammen mit der Kurzschlussfestigkeit ein wichtiges Kriterium, das in die Ausschreibung gehört. Bei parallelgeschalteten USV-Anlagen nimmt idealerweise die spezifische Durchlassenergie der Schmelzsicherung im Quadrat der Anzahl Bypasse zu, was sich positiv auf die Problemlösung auswirkt. Diese Idealisierung ist allerdings nur bei absoluter Symmetrie erreicht. Ungleich lange Kabel gefährden also nicht nur die gleichmässige Belastung aller Parallelanlagen, sondern auch die Selektivität. Das hier gesagte gilt gleichwohl für kleine wie grosse USV-Anlagen und ist abhängig vom Einbauort. Der Einbauort mit seinen elektrotechnischen Eigenschaften bestimmt auch die erforderlichen Massnahmen, um die maximale Kurzzeitstromfestigkeit der USV-Anlage zu gewährleisten. Dazu gehört oft auch der Entscheid des Herstellers, eine Bypasssicherung einzusetzen. Denn der sicherungslose Bypass hat auch Kleingedrucktes. Zusammenfassend kann gesagt werden, wenn die selektive Abschaltung vor dem Abschmelzen der Bypasssicherung gelingt, so ist der Zweck der USV erfüllt, ansonsten ist der Totalausfall die Folge. Die Rechenbeispiele dazu sprengen den Rahmen und werden demnächst Online gestellt.

Batteriebetrieb

Im USV-fernen Kurzschlussfall, also dann, wenn der Bypass aufgrund des Schwellwertes nicht anspricht, oder wenn kein Netz vorhanden ist und die Anlage deshalb im Wechselrichterbetrieb bleibt, muss die begrenzte Kurzschlussfähigkeit beachtet werden. (Abb. 3)

Abb. 3 Kurzschluss USV-fern

Um sich vor thermischer Überlast zu schützen, begrenzt die USV-Anlage die Zeit in Abhängigkeit der Grösse des Stromes. Ein hoher Strom kann nur kurze Zeit und ein tiefer Strom kann längere Zeit anstehen. Das ist abhängig von Produkt und Bauart und muss bei der Installationsplanung berücksichtigt werden. Denn die Installation muss auch für den USV-Betrieb ausgelegt werden. Meistens2 ist der begrenzte Wechselrichterstrom der kleinstmögliche Kurzschlussstrom, der als Kriterium für die Abschaltbedingungen erforderlich ist. Bei USV-Anlagen mit einphasigem Ausgang ist der Nennstrom drei Mal so hoch wie bei einer Anlage gleicher Leistung aber einem dreiphasigen Ausgang. Daher – könnte man denken – ist die Kurzschlussfähigkeit bei einphasigen Anlagen besser. Das ist aber oft nicht so, weil diese weniger überlastfähig ausgelegt werden. Der Bypassstrom ist ebenfalls ungefähr drei Mal so gross wie der Gleichrichtereingangsstrom. Der Bypass muss selektiv sein zu den Abgängen.
Um eine zuverlässige Auslösung erreichen zu können, muss das Schutzgerät so auf die USV-Anlage abgestimmt werden, damit der maximale Kurzzeitstrom im Wechselrichterbetrieb den nachgeschalteten Leitungsschutzschalter im magnetischen Auslösebereich trifft. Im Falle eines Leistungsschalters soll dieser im Bereich des einstellbaren kurzzeitverzögerten Kurzschlussauslösers liegen. Wird dies nicht erreicht, kann die Abschaltbedingung 0.4 Sekunden nicht eingehalten werden. Selbst wenn eine so kurze Abschaltzeit von den Vorschriften nicht gefordert ist, weil es sich zum Beispiel um einen Verteilstromkreis handelt, so entsteht doch immerhin ein Spannungseinbruch bzw. Spannungsausfall für alle nicht betroffenen Stromkreise bis zum Zeitpunkt, zu dem das Schutzgerät den fehlerhaften Stromkreis abgeschaltet hat. Schmelzsicherungen und Leistungsschalter mit thermomagnetischen Auslösern können oft die Erfordernisse nicht einhalten. Letztere sind nur sehr eingeschränkt und erstere überhaupt nicht einstellbar. Daher sollten im Bereich grösserer Leistungen Leistungsschalter mit elektronischen Auslösern verwendet werden. Bei kleineren USV-Anlagen sind Lösungen mit selektiven Hauptleitungsschutzschaltern (SMCB) vorgeschaltet und normalen Leitungsschutzschaltern (MCB) nachgeschaltet oft eine vorteilhafte Kombination.

Die Abhängigkeiten sind komplex und haben Wechselwirkungen. Es gibt keine allgemeinen Regeln, die immer passen. Man muss daher jeden Fall separat genau beurteilen und berechnen.

Fazit

Der einzige Zweck einer USV-Anlage ist, abgesehen vom Generieren honorarberechtigter Bausumme, dass sie im Fehlerfall funktioniert. Sie gehört somit zusammen mit der Schutztechnik zum Schlechtwetterprogramm in der Gebäudetechnik, die anders als andere Schlechtwetterprogramme wie Brandmeldeanlagen u.d.g. nicht simultan getestet werden können. Das bedeutet, dass das kritische Ereignis herbeigeführt werden muss: Bei USV-Anlagen der Netzausfall und bei Schutzgeräten der Überstrom. Leistungsschalter haben zwar Triptestfunktionen integriert, jedoch lassen sich damit nicht ganze Kaskaden von Schaltern testen. Daher kommt bei diesen Anlagen der Auslegung und Einstellung der Schutzgeräte hohe Bedeutung zu. Frühzeitig im Projekt wird alles sauber durchgerechnet und erst dann auf solider Basis werden die Geräte ausgewählten. Oft fehlt das Spezialwissen, daher ziehen einige Planer einen externen unabhängigen Spezialisten bei, um eine gute Lösung erreichen zu können.

Grafiken Markus Gehrig (alle Rechte vorbehalten):
Abb. 1: Übersicht USV-Umgebung
Abb. 2: USV-nah
Abb. 3: USV-fern

Autor:
Markus Gehrig
Dipl. El. Ing. HF/REG B
Executive MBA, Paralegal (ZHAW)
Ausbilder mit eidg. FA

MG Power Engineering AG, Überlandstrasse 210, CH-8600 Dübendorf
Telefon: 044 882 17 18
Internet: www.power-engineering.ch
E-mail: m.gehrig@power-engineering.ch

Dozent an der Höheren Fachschule der IBZ
für die Fächer Schutz- und Leittechnik sowie Anlagenbau/Energietechnik
Lehrbeauftragter an der HSLU

4 Gedanken zu „Halten USV-Anlagen was sie versprechen?“

  1. Ciao Markus,
    Sehr gute bericht, wir koonte auch verwenden für die nächste Ing. Tagung, Datum ist noch zu definieren.
    Freundlichen Grüssen aus Tessin
    Fabio

  2. Salut Markus
    Sehr gute Analyse der verschiedenen Probleme mit genau den Punkten die Beachtet werden sollten. Leider gibt es immer noch viele Anwender die eine USV kaufen und meinen sie haben jetzt ein Sorglospaket im Keller für ihre Stromversorgung und staunen das im Fehlerfall nichts mehr geht.
    Gruss Bruno

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